Was bedeutet Autoimmunerkrankung?
Unser Immunsystem hat die wichtige Aufgabe zu überwachen, ob und welche fremden Erreger und Stoffe in den Körper gelangen und diese dann gegebenenfalls abzuwehren. Eigene Strukturen dagegen soll er nicht angreifen. Im Allgemeinen kann unser Immunsystem dies sehr gut unterscheiden. Das ist bei einer Autoimmunerkrankung aber verloren gegangen und genau darin liegt das Problem: Hierbei richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Gewebe oder Eiweiße. Die Folge ist eine Entzündungsreaktion in diesen Strukturen. Dies kann dann zum Untergang von Zellen führen.
Warum das Immunsystem bei manchen Menschen diese „falsche“ Immunreaktion in Gang setzt, ist bislang nicht bekannt. Bei vielen Autoimmunerkrankungen muss allerdings eine gewisse genetische Grundlage vorhanden sein, damit es überhaupt dazu kommt. Das sind keine „kranken“ oder veränderten Gene, sondern allgemeine Merkmale, die aber häufiger mit bestimmten Erkrankungen verbunden sind.
Die genetischen Merkmale liegen bei deutlich mehr Personen vor, als von der Krankheit tatsächlich betroffen sind. Hier scheinen Umweltfaktoren wie z.B. Virusinfektionen als Auslöser möglich, die die Erkrankung dann letztlich in Gang setzen könnten. Aber die Wissenschaft konnte hier bisher keine endgültigen Ergebnisse erbringen.
Um das ein bisschen klarer zu machen – hier ein Beispiel:
Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse kommen recht häufig vor. Das Immunsystem bildet fälschlicherweise Antikörper gegen die körpereigenen Enzyme der Schilddrüse. Die Bindung zwischen den Antikörpern und dem Enzym führt zu einer Abwehrreaktion im Schilddrüsengewebe. Diese Entzündung im Schilddrüsengewebe beschädigt die Zellen, die mit der Zeit immer weiter zerstört werden. Damit verringert sich das Schilddrüsengewebe und dadurch können weniger Schilddrüsenhormone hergestellt werden. Das führt dann zu einer Unterfunktion der Schilddrüse.
Die Zöliakie ist die einzige Autoimmunerkrankung, bei der der Auslöser der Entzündungsreaktion bekannt ist – nämlich das Gluten. Dennoch ist weiter ungeklärt, warum manche Personen auf Gluten reagieren und andere nicht. Bei der Zöliakie werden vom Immunsystem des Betroffenen verschiedene Antikörpergruppen gebildet. Die Gliadin-Antikörper richten sich direkt gegen das Gluten und seine Bestandteile. Andere Antikörper richten sich gegen ein körpereigenes Enzym (Gewebstransglutaminase) in der Dünndarmschleimhaut.
Welche Effekte die Antikörper und insbesondere die Gewebstransglutaminase-Antikörper im Krankheitsgeschehen haben, ist bislang ebenfalls noch nicht vollständig geklärt. Man vermutet, dass sie zu den Veränderungen an der Schleimhaut mit der Abflachung der Darmzotten beitragen. Zusätzlich könnten sie für einen Teil der Symptome an den Organen außerhalb des Magen-Darm-Traktes verantwortlich sein.
Der Nachweis, dass es solche Antikörper gibt, hat die lange bestehende Vermutung bestätigt, dass die Zöliakie ebenfalls eine Autoimmunerkrankung ist. Die Antikörper spielen vor allem in der Diagnostik und bei den Verlaufsuntersuchungen der Zöliakie eine besondere Rolle.
Dass der Auslöser der Autoimmunreaktion bei Zöliakie, also Gluten, bekannt ist, hat den großen Vorteil, dass man das Krankheitsgeschehen damit ursächlich unterbrechen kann. Denn ohne Gluten in der Ernährung kommt das entzündliche Geschehen an der Dünndarmschleimhaut langsam zum Stillstand und die Symptome klingen ab. Damit ist die Zöliakie einzigartig unter den Autoimmunerkrankungen, da derzeit ein ursächlicher Behandlungsansatz bei keiner weiteren bekannt ist.